Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Geschichte in Deutschland

Wie leben Menschen mit Beeinträchtigungen in Deutschland? Welche Unterstützung brauchen Sie? Welche Hindernisse stehen ihnen im Weg, wenn sie sich entwickeln und entfalten wollen?

13 Schüler*innen aus der EF, die kein Sozialpraktikum machen konnten, sollten sich in der Projektwoche vom 04.10. bis zum 08.10. 2021 mit diesen Fragen auseinandersetzen. Bei der Vorbesprechung kristallisierte sich ein großes geschichtliches Interesse heraus, sodass wir die Woche mit oben genanntem Motto überschrieben.

Am Montag arbeiteten wir intensiv zu dem Thema „,Lebensunwertes Leben?ʻ – Menschenbild und Vernichtungspolitik während des Nationalsozialismus“. In der Auseinandersetzung mit Quellen und Fallbeispielen aus der Tötungsanstalt Grafeneck konnten die Schüler*innen Einblicke in die Geschichte der „Euthanasiepolitik“ bekommen und feststellen, dass vielfach Menschen getötet wurden oder verhungern mussten, die durch Krankheiten oder Schicksalsschläge einfach nicht der nationalsozialistischen Norm entsprachen.

Am Dienstag besuchten wir das „Gut Kinderhaus“ und wurden über das Gelände geführt. Wir erfuhren, dass sich die „Beschäftigten“, wie die Menschen mit Beeinträchtigungen hier bezeichnet werden, vielfach ihre Tätigkeiten im Obst- und Gartenbau, am Hühnermobil oder im Hofladen nach Fähigkeiten und Interessen suchen können. Die Idee ist, das „Gut Kinderhaus“ zu einem Ort der Begegnung zu machen. Der neu gebaute Spielplatz und andere Freizeitmöglichkeiten laden ganz offensichtlich dazu ein. Ein wald- und erlebnispädagogischer Bereich für Schüler*innen der Papst Johannes-Schule ist außerdem auf dem Gelände. Da die Schüler*innen mit ihrem Lehrer und dem Schulhund gerade da waren, konnten wir auch viel von ihnen und über sie erfahren.

Der Mittwoch diente der Auseinandersetzung mit den Themen „Bildung und Schule für alle“. Da die Primusschule ohnehin gerade einen „Tag der offenen Tür“ veranstaltete, konnten wir uns den Unterricht in den inklusiven Klassen anschauen und vielfältige Eindrücke gewinnen, wie selbstgesteuertes Lernen in altersgemischten, heterogenen Lerngruppen ausgestaltet werden kann. Die aus der Gruppe gestellte Frage „Wieviele Menschen mit Beeinträchtigungen sind denn jeweils in den Klassen?“ wurde als Beobachtungsauftrag an uns zurückgegeben und konnte gar nicht auf den ersten Blick beantwortet werden.

Schließlich vertieften wir die gewonnen Eindrücke am Donnerstag theoretisch und praktisch. Britta Möwes, die den Verein „Münster Inklusiv Denken e.V.“ gegründet hat, hielt einen Vortrag über die deutsche Nachkriegsgeschichte, die weiterhin durch eine „Segregation“ der Menschen mit Beeinträchtigungen gekennzeichnet war, d.h. die Menschen wurden in Förderschulen, Werkstätten, Wohnheimen oder Heil- und Pflegeanstalten untergebracht und von der übrigen Gesellschaft abgetrennt. Forderungen nach einem selbstbestimmten Leben wurden vor allem nach 1968 immer lauter. Spätestens seit der „UN-Behindertenrechtskonvention“ von 2006, die 2009 in der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden ist, ist die Gesellschaft herausgefordert, die Strukturen im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe aller zu gestalten.

Dass auch unsere Schule hier noch Entwicklungsbedarf hat, zeigte der Barrierecheck, den wir mit Unterstützung des Vereins „SEHT Münster e.V.“ und der JIPA AG durchführen konnten. Ausgestattet mit einer Checkliste konnten die Schüler*innen des Projekts in einem Rollstuhl sitzend, mit verdeckten Augen und Blindenstock oder hörbeeinträchtigt die Friedensschule auf Barrierefreiheit prüfen. Allen wurde deutlich, dass hier noch einiges verbessert werden kann. Mit einem geistigen Impuls ging diese erkenntnisreiche und spannende Woche am Freitag zu Ende.

Wir danken der Primusschule, Björn Untiet und dem Gut Kinderhaus, Britta Möwes, Carolin Schläger, Maike Recke und Clara Schmersträter und Christine D. Schmidt von der Villa ten Hompel für ihre engagierte Unterstützung dieses Projekts.

 

LAR STR