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Wir schreiben Sonntag, den 6. Oktober, 8.15 Uhr. Das Wetter ist eher so Oktober und es fühlt sich schon fast an wie England, wir sind aber in Münster an der Friedensschule. Wir, das heißt 25 mehr oder weniger mental anwesende Schülerinnen und Schüler plus Frau Göbel und Frau Labonté. Nicht zu vergessen unser grandioser Busfahrer Henry, der in den folgenden Tagen noch eine entscheidende Rolle spielen wird… Optimale Voraussetzungen, es kann also losgehen!
Wir sind nach England gefahren oder besser gesagt: durch die halben Niederlande, dann über die kaputten Autobahnen Belgiens, mit der Fähre von Calais nach Dover und final nach Eastbourne, ein hübsches Städtchen direkt am Ärmelkanal. Unser Hotel keine 50 Meter vom Strand entfernt.
Am nächsten Morgen gab es ein doch ganz humanes Frühstück weit über Klassenfahrtniveau. Isn't it great? Nach dem Frühstück ging es direkt ans Meer, an den Pier von Eastbourne. Dort wurden wir wirklich mit englischer Kultur konfrontiert: Mr. Bean! Oder besser gesagt unser äußerst sympathischer Tour Guide, der uns Eastbourne zeigen sollte. Er war tatsächlich der britische Humor in Person, wie man ihn sich in unserem Schubladendenken vorstellt. Interessant am Gestikulieren, höflich, sehr amüsant und er sah sogar ein bisschen aus wie Mr. Bean.
Einen Besuch im Coop, drei Rosinenbrötchen und vier Fertigsmoothies später war unsere Mittagspause beendet und Henry brachte uns zum Beachy Head, einem berühmten Aussichtspunkt an der Steilküste. Steilküste traf es tatsächlich ziemlich gut, am Beachy Head ging es 162 Meter in die Tiefe. Damit ist es die höchste Steilküste in ganz England. Von dort aus sind wir - mit grandiosen Blicken - knapp zwei Stunden direkt am Abgrund entlang gewandert. Nach einer Fotosession am Leuchtturm des Beachy Head, einer gekonnten Flugeinlage von Frau Göbel und einigen sinnlosen, aber unterhaltsamen Wettrennen waren wir alle ziemlich exhausted vom englischen Wind und erreichten das Ziel unserer Wanderung: einen Tea Room mit originalen British Scones und anderen stärkenden Leckereien.
Nach einem fies frühen Frühstück am Dienstagmorgen brachte uns Henry zum Hever Castle, einem Schloss aus dem 13. Jahrhundert, das sich im 15. Jahrhundert der Vater von Anne Boleyn zu einer ziemlich schicken Residenz umgebaut hat. Wie war das nochmal? Ach ja, Anne Boleyn war eine der sechs Frauen von Heinrich VIII., dem englischen König. Um die Geschichte kurz zusammenzufassen: zwei dieser Frauen hat er umbringen lassen, darunter auch Anne Boleyn. Wir haben uns also diesen Ort angeschaut, an dem Anne Boleyn aufgewachsen ist und an dem auch Heinrich VIII. zu Besuch war, um sich an Anne ranzumachen. Nach einer Führung durch das Schloss haben wir uns den Park ansehen dürfen. Der Rasen war natürlich schick englisch gepflegt und "Keep of the grass" war oberstes Gebot. Dazu kamen Buchsbaum in Form von Schweinen, ein Wasserlabyrinth, in dem man unfreiwillig ziemlich nass wurde, ein riesiger See und alles, was man gerne in seinem eigenen Garten hätte, sich aber leider nicht leisten kann.
Im Anschluss an diesen entspannten Vormittag im und am Hever Castle ging es um etwa 13 Uhr weiter nach Canterbury. Soweit zumindest die Theorie. In der Praxis gab es einen bösen Unfall auf der Autobahn mit Vollsperrung und allem, was dazugehört. Wir sind also auf einem der schönen englischen Autobahnparkplätze gestrandet und kamen erst einmal nicht weiter. Henry erkämpfte uns schließlich die Erlaubnis, über eine Seitenstraße von der Raststätte abzufahren, und unternahm diverse Versuche, uns doch noch zur Kathedrale nach Canterbury zu bringen, doch am Ende vergebens. Die Verkehrslage war katastrophal. Schließlich mussten wir aufgeben und nach Eastbourne zurückkehren. Um unsere Situation an diesem Nachmittag kurz und treffend zusammenzufassen, hier ein Auszug aus der "Rede zur Lage", die in kreativer Verzweiflung entstanden ist:
"Im Bus sitzen, wie jeder weiß,
Ist der größte Schxxx.
Und dazu der Stau,
Da werden meine Haare grau
[…]
Stauhopping wird der neue Sport,
So sieht man jeden Ort
[…]
Nach Canterbury fahren wir leider nicht,
Deshalb schreiben wir dieses Gedicht.
[...]
Vom Kaiserschxxx zum letzten Vers,
Dieses Gedicht spiegelt uns'ren Schmerz…
Nach diesem etwas außergewöhnlichen Nachmittag waren wir zu einem gemeinsamen Abendessen im "The Marine" Pub in Eastbourne. Das Essen war wirklich fantastisch, besonders nach zwei Tagen Pizza, Supermarkt-Sandwiches und French Fries. Aber auch sonst war die Stimmung wieder da, wo sie sein sollte, und es wurde trotz unserer ungeplant längeren Busfahrt noch ein schöner Abend.
Am nächsten Morgen war er da, der Mittwoch und damit auch das heimliche Highlight unserer Englandfahrt. Nach einer diesmal angenehmen Busfahrt durften wir - nach einem kurzen, aber erfolgreichen Kampf mit dem Ticketautomaten der London Underground - in Kleingruppen London besichtigen. Grundsätzlich konnte man die Interessen in drei Gruppen aufteilen: Sightseeing, Shopping oder Sightseeing und Shopping. Nach Buckingham Palace, China Town, neuen Klamotten etc. haben wir uns am Abend alle zusammen in der Nähe des London Eye getroffen, von wo aus wir zum Abschluss des Tages unter Frau Göbels professioneller Anleitung an der Themse entlang bis zur Tower Bridge gelaufen sind. Die Houses of Parliament im Sonnenuntergang oder die St. Paul’s Cathedral, Millennium und Tower Bridge bei Nacht bleiben unvergessen.
Am nächsten Morgen, am Donnerstag, hat ein letztes Mal das viel zu frühe Frühstück auf uns gewartet und wir sind über Dover und Calais zurück nach Münster gefahren. Also wir haben größtenteils geschlafen, Henry ist gefahren. Zum gelungenen Schluss ein Sonett von Fr. Göbel und Fr. Labonté, das als Gegenentwurf zur "Rede zur Lage" verfasst wurde:
"A group of fine young German students went,
t’explore the British culture, land and food,
on an adventurous journey via Kent,
And they were famous for their joyful mood.
They saw things they had never before seen
like big sisters of chalk, small ones on leads,
And they encountered funny Mr. Bean
And went to Hever Castle, not to Leeds.
An accident made them miss Evensong,
which led to grief and creative outburst;
but mourning did not last so very long,
thanks to their skillful driver Henry First.
So trav’lling with a group from Friedensschool
is an adventure and so super cool!
M.K., Q2 (Redaktion LIN)