"Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf."

Dies könnte das Motto der Veranstaltung gewesen sein, die der 10. Jahrgang am letzten Freitag in der Domsingschule besuchte. Das ganztägige Projekt der „Demokratiesprecher“ wird von der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert und setzt dabei den Schwerpunkt auf die Vermittlung der Grundrechte unserer Verfassung. Veranstalter und Moderator Marcus Kiesel leitete die sogenannte Grundrechte-Arena.

Bei einem kurzweiligen Warm-Up, bei dem es darum ging, seine eigene Position gegen andere Gleichaltrige zu behaupten, wurden auch mal solch provokante Thesen wie „Ich tanze gerne zu Helene Fischer“ oder „Katzenvideos sind süß“ aufgestellt. Spätestens bei der Behauptung „Es gibt auch häßliche Babys“ waren alle im Gespräch und konnten aus eigenen Erfahrungen berichten, wie schwierig es sein kann, bei gegensätzlicher Wahrnehmung einer Sache nicht verletzend zu werden.  Schnell wurde klar, dass ein schmaler Grad zwischen der ehrlichen Meinung und einer beleidigenden Bemerkung besteht. Und schon war man mitten im Thema, wie man in sozialen Netzwerken die eigene Meinung vertreten kann, ohne in „hatespeech“ zu verfallen. „Denn“, wie eine Schülerin richtig bemerkte, „man denkt nicht immer darüber nach, was man mit Worten anrichtet.“ Als Fazit zogen die SchülerInnen, dass  Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Marcus Kiesel erläuterte anhand einiger Beispiele aus dem Publikum, was hinter den Begriffen „üble Nachrede“ und „Verleumdung“ steckt und wie schnell ein vermeintlicher Spaß in eine Beleidigung umschlagen kann.

In einem weiteren Workshop ging es darum, die Pressefreiheit unter die Lupe zu nehmen und zu erkennen, wie gefährlich es ist, dieses Grundrecht nicht zu schützen. Als Zeitzeuge war dazu Wolfgang Thüne geladen. Thüne war Spitzensportler in der ehemaligen DDR und berichtete von seinen Erfahrungen aus einer Diktatur, in der er sich angewöhnt hatte, seine Meinung nur noch im privaten Umfeld kundzutun, da er Angst haben musste, aufzufallen und vom Staat sanktioniert zu werden. Er nannte dies einen schleichenden Prozess, den man schon bald gar nicht mehr in Frage stellte. Thüne bezeichnete dies als „sich schweigend ergeben.“ Er ermutigte die jungen Leute dazu, die Entwicklung der heutigen Zeit ernst zu nehmen und für ihre Rechte einzustehen.

Der Artikel 2 GG sieht vor, dass jeder Mensch ein Recht auf freie Persönlichkeits-entfaltung hat. Inwieweit ist das noch möglich, wenn Jugendliche vor Gleichaltrigen sich nicht mehr trauen, offen ihre Meinung zu sagen? Bei der Diskussion dieser Frage war man schnell bei dem Thema, was Freiheit für jeden einzelnen bedeutet. Das Zitat eines Schülers ließ kaum Fragen offen: „Für mich endet Freiheit da, wo man die Freiheit anderer verletzt.“ Auf diesen Konsens konnten sich alle einigen.

Doch woher beziehen SchülerInnen ihre Informationen in dieser komplexen Welt? Erstaunlich viele Jugendliche der FSM greifen erfreulicherweise noch zu gedruckten Medien und schauen die Tagesschau. Die deutliche Mehrheit informiert sich allerdings auf sozialen Netzwerken und viele SchülerInnen waren überrascht, mit welchen Algorithmen dort gearbeitet wird. So gaben fast alle SchülerInnen an, bereits mit Wahlwerbung der AfD konfrontiert worden zu sein. Da reichen Stichworte „wie früher“ oder „Tradition“, um regelmäßig die kurzen Spots der Partei zu erhalten. Kiesel gab den Hinweis, dass man immer darüber nachdenken solle, wer welche Nachricht mit welchem Ziel vermittle.

Dies wurde spätestens bei dem Vergleich verschiedener Pressefotos deutlich. Da jedem Bild nachweislich von den Zuschauern durchschnittlich 2,36 Sekunden Aufmerksamkeit geschenkt wird, sei hier besondere Vorsicht geboten. So zeigte ein offizielles Foto aus dem Jahr 2017 aus dem Iran den angeblich geglückten Start von vier Langstreckenraketen. Kurz nach der Veröffentlichung kam heraus, dass dieses Bild offenbar digital verändert worden war. Nur zwei der Raketen starteten planmäßig. Um sich keine Blöße zu geben, ließ die iranische Regierung das Foto manipulieren. Dies war aber für Laien nicht zu erkennen und zeigte den SchülerInnen deutlich, wie leicht man getäuscht werden kann.

In der dritten Runde wurde der ARD-Film „Migration, TikTok, Geld, Sicherheit - Warum wählt die Generation Z AfD?“ gezeigt. Im Anschluss daran gab es eine Expertenrunde, in der es um die Frage ging, wie man Demokratie verteidigen und leben kann. Teilnehmer waren unter anderem auch Ulrich Tückmantel, der Pressesprecher der Bezirksregierung Münster, Malte Bock von der Konrad-Adenauer-Stiftung und die SchülerInnen der Jahrgangsstufe 10. Tückmantel warnte eindringlich vor der unkritischen Nutzung sozialer Netzwerke. Bock forderte dazu auf, sich für politische Gesamtzusammenhänge Zeit zu nehmen und nicht auf Polemik reinzufallen. Die Forderung der SchülerInnen war dabei unmissverständlich: Mehr Politik-Unterricht in der Schule, um dadurch Teilnahme am politischen Leben zu ermöglichen!

Ina Brodde