Am Anreisetag hielten wir in Porta Westfalica, wo wir uns einen Stollen ansahen, in dem zum Ende der Kriegszeit Häftlinge untertage dafür eingesetzt wurden, die Stollenanlage für eine Schmierölproduktion auszubauen. Bereits hier hat uns schockiert, dass die Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und leben mussten. Ein weiterer Schock war, dass die Bewohner des Ortes die von der Ausbeutung gezeichneten Zwangsarbeiter täglich vom Lager zum Stollen gehen sahen und dass sie nach Kriegsende nichts mehr davon gewusst haben wollen.
Ähnliches aber in viel größerer Dimension geschah in den Stollenanlagen des ehemaligen KZs Mittelbau-Dora, wo wir am fünften Tag zu Besuch waren. An diesem Ort wird deutlich, wie der Tod der Häftlinge durch deren absolute Ausbeutung in Kauf genommen wurde. Man steht in der riesigen Stollenanlage, wo das alles passiert ist, friert schon nach kurzer Zeit, spürt förmlich, wie die Kälte und die Dunkelheit in einen hineinkriecht und hört, dass genau hier die Gefangenen in extremer Weise menschenunwürdig behandelt wurden. Es ist kaum vorstellbar, wie die Häftlinge es knapp sechs Monate in diesem Stollen ohne Tageslicht, bei schlechter Luftqualität, unsagbarem Lärm durch die Sprengungen, unzureichender medizinischer Versorgung und fehlender Sanitäranlagen aushalten konnten, während sie ständig zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen wurden.
An allen Orten wurde uns bewusst, wie stark die deutsche Bevölkerung an den ganzen Geschehnissen beteiligt war. Aus dem anfangs rassistischen Denken der Zeit wurde durch nationalsozialistische Propaganda schnell rassistisches Handeln, sodass viele in verschiedenster Hinsicht dem System zugearbeitet haben – sei es im Vorfeld, in der Verwaltung, in der Industrie oder direkt im Zentrum des verbrecherischen Geschehens im Krieg und in den Lagern.
Anfangs haben auch wir die Bedeutung von Hitler viel zu hoch eingeschätzt, im Verlauf der Fahrt wurde aber mehr als deutlich, dass sehr viele Menschen aus unterschiedlichsten Motiven heraus dem System dienten und nicht selten sogar in vorauseilendem Gehorsam handelten, was uns in der früheren Erfurter Ofenfabrik „Topf und Söhne“ und in Berlin im „Haus der Wannseekonferenz“ klar wurde.
„Ich habe zuvor noch nie ein KZ besichtigt. Durch die vielen Führungen habe ich mehr über die Behandlung von Personen gelernt, die in der NS-Zeit nicht der ‚Volksgemeinschaft‘ zugeschrieben wurden. Es war sehr beeindruckend und schockierend selbst zu sehen, welche Ausmaße der Hass der Nazis hatte und wie sie es geschafft haben, ihre Herrschaft zu etablieren.“ Diese Gedanken aus der abschließenden Reflexion teilen viele, die mitfahren konnten.
Wir danken der Konrad-Adenauer-Stiftung für die großzügige finanzielle und ausgezeichnete organisatorische Unterstützung der Fahrt.
Deike Ackermann und Leander Büchler